23 April 2008

Papierkrieg-Outsourcing

Als krebskranker Mensch bekommt man relativ schnell, den Eindruck, dass mit dem Gesamtsystem etwas nicht stimmt. Ich meine jetzt hier nicht das Gesamtsystem "eigener Körper" sondern ich rede hier (erst mal) vom Deutschen Staat.

Vielleicht sollte ich es etwas präziser als die "Deutschland AG" bezeichnen. Das Kürzel AG steht hierbei allerdings nicht für Aktiengesellschaft, wie man vermuten könnte, sondern eher für "Asoziale Gesellschaft".

Ich habe gerade eben wieder die Erfahrung machen "dürfen" dass ich hier der DVD zu sein scheine (Depp vom Dienst). Heute Vormittag war ich zuerst beim VDK, um mir dort Beratung bezüglich meines Papierkrieges gegen diverse Ämter zu holen.

Selbstverständlich gegen eine "kostengünstige" Mitgliedschaft von 60 Euro im Jahr - Menschlichkeit hat schließlich auch ihren Preis. Besonders, wenn die Menschlichkeit dann in Form von sachkundigen Sozialrechtsanwälten auftritt, die den lieben langen Tag nichts anderes tun, als ihre "Menschlichkeit" (An)walten zu lassen. Diese legen dann gezielt Widersprüche zur Fristwahrung ein und dergleichen advokatische Winkelzüge mehr.

Da seit ein paar Jahren der (deutsche) Staat alles tut, um die Dinge "outzusourcen", die er nicht gerne tun mag, weil diese angeblich zu teuer wären, tue ich das eben jetzt auch. Ich habe es mir ab sofort zum Ziele gesetzt, nicht mehr als David gegen den Goliath zu kämpfen, sondern ich lasse ab sofort nur noch meinen Goliath gegen den anderen Goliath antreten. Anders wäre ich in den Mühlen der Bürokraten verloren und würde komplett aufgerieben. Da ich ja ein zutiefst faules Stück Menschenfleisch bin, habe ich drauf naturgemäß wenig Lust. Lieber denke ich zuerst angestrengt nach, bevor ich mich zum Arbeiten "in Gang" setze. Mit genau diser Verhaltensweise sind nämlich die tollsten Errungenschaften der Welt erfunden worden.

Wo bitteschön wären wir heute ohne die Erfindung des Rades? Das hat bestimmt auch so ein "Fauler Sack" wie ich erfunden. Da mir da aber schon einer zuvorgekommen zu sein schin, hab ich das mal gelassen.

Ich kann also nur jedem Krebsleidenden empfehlen, sich die Papiertigerei nicht (auch noch) selbst anzutun, sondern möglichst bald Profis dafür zu engagieren. Andernfalls geht es den Davids wie mir und sie werden noch richtig bösartig. Und Terroristen wollen wir uns hier ja nicht erziehen, davon gibt es schon genug in der Welt.

Hätte ich den Tipp mit dem VDK früher bekommen (z.B. von den SozialarbeiterInnen, die in den Krankenhäusern so umher schwirrenund die Patienten braten, Verzeihung ich meine natürlich beraten), wäre ich schon früher beigetreten. Aber man lernt ja nie aus.

Als ich nun heute zum ertsen Mal die Räume der VDK-Geschäftsstelle in Landshut betrat bekam ich schon ein wenig große Augen, wie eine Organisation, die sich "sozial" nennt, so repräsentative Räume haben kann. Irgendwie hat mich an das "szial" aus dem Namen der "Christlich Sozialen Union" erinnert. Ob das was Ähnliches ist?

Als ich allerdings den Flyer geöffnet habe, den man mir gab und einen Blick darauf warf, habe ich gesehen, dass der VDK allein in Bayern über 510.000 Mitglieder hat, von denen jedes 60 Euro pro Jahr Beitrag bezahlt. Das macht schätzungsweise 30.600.000 Euro pro Jahr allein an Mitgliedsbeiträgen. Dazu kommt natürlich noch, dass ein begründeter Widerspruch gegen so ein Amtsgepfusche, wie die Sorte, mit der ich mich hier dauern därgern muss, 25 Euro extra und ein Sozialgerichtsverfahren schlappe 40 Euro extra kostet. Aber das nur nebenbei. Die Anwälte wollen auch nur leben und kämpfen ja für eine bessere Welt. (Ohne Anwälte und Bürokratie?)

Anscheinend ist Menschlichkeit auch ein lohnendes Geschäft. Davon könnten sich manche so genanten Wirschaftsvertreter auch mal ein Scheibchen abschneiden, die immer gerne so tun, als würden sie sich so sehr für die sozialen Belange der Gesellschaft einsetzen, wenn sie mal ein paar Tausender von ihren millionen- und milliardenschweren Gewinnen für caritative, soziale oder (!) kulturelle Zwecke sponsern. Alles drei zusammen geht ja nun wirklich nicht. Das wären ja gleich drei Wünsche auf einmal...

Allen voran, die nadelgestreiften Stellenstreicher der Gloabl-Player-Unternehemen, diese Neokolonialisten der Ökonomie, die Alles und Jeden mit Ihrer Wirtschaftsideologie infiltrieren. Komisch, wieso drängt sich mir gerade dabei immer wieder das Bild eines Krebsgeschwüres auf? Infiltriert mein Tumor nicht auch das umliegende gesunde Gewebe, um es ganz und gar aufzuzehren?

Geht es der Wirtschaft gut, geht es den Mesnchen gut! Diese und ähnliche Ammenmärchen können die Zumwinkels, Mehdorns, von Pierers und Ackermanns vielleicht noch ihren Omas erzählen - die glauben vielleicht noch an sowas. Zumindest unsere Politiker gauben das noch. Oder wurden die auch schon eingekauft mit diversen Aufsichtsratspöstchen, bei denen sie von diversen Milliardenverlusten "überrascht" werden?

Jeder halbwegs klar denkende Mensch muss innerhalb kürzester Zeit zu dem Schluss kommen, dass das Einzige, worum "die Wirtschaft" sich kümmert "die Wirstchaft" selbst ist. Die Reste die dabei als Brösel vom "Tisch der Reichen und Mächtigen" noch abfallen, die dürfen dann die Anderen vom Boden lecken. In Deutschland waren die ja lange genug so reichlich, dass man sich davon noch Häuser und Autos kaufen konnte. Leider ist allerdings dieser kühne Entwurf einer so genannten sozialen Marktwirtschaft längts den Bach runter gegangen.

Ironischerweise sind die, die sich genau diese auf ihre Fahnen geschrieben haben gleich mit gegangen, oder wie soll man sich sonst die Einbußen der Sozialdemokraten bei aktuellen Umfragen erklären? Etwa deswegen, weil die CDU/CSU so gut regiert?

Vorsicht Gerd beruhige Dich - Du weisst, Du schreibst Dich leicht in Rage. Das ist nicht gut für Deinen Kreislauf. Du bist ja schon total aus Deiner Mitte. (Ich muss mich gerade selbst ermahnen, damit ich keinen bösartigen Lachkrampf bekomme).

Zurück zur "Wirtschaft". In der Selbigen denkt man ja nicht in Größenordnungen wie z. B. "wieviel kostet ein Kilo Brot", nein man denkt in Größenordnungen von "wieviele Airbusse bekomme ich für mein Investment" oder wie kann ich meinen Gewinn maximieren, ohne dem "doofen Staat" etwas davon abgeben zu müssen.

Fakt ist doch mal Eines: wir wurden über Jahrzehnte mit der Doktrin erzogen, dass ungebremstes Wirtschaftswachstum grundlegend etwas Gutes sei und und allen Wohlstand bringe. Aber haben wir uns eigentlich mal überlegt, woher der ganze Gewinn kommt? Haben wir uns mal Gedanken darüber gemacht, wie es denen geht, die unseren dauernden Exporte importieren? Die waren sicher alle glücklich mit ihren neuen Produkten Made in Germany. Besonders mit denen von Siemens.

Da fällt mir gerade wieder dieser Spruch ein: "Soll's funktionieren, oder darf es von Siemens sein?" Wieso nur graben sich bei mir solch subversive Botschaften immer so tief ins Gedächtnis? Hängt das auch mit meiner Erkrankung zusammen, oder bin ich ein "bösartiger Charakter?" Dann würde meine Erkrankung ja genau auf mich passen. Langfristig hart und sch(m)erzhaft, gerade so bösartig, dass man es nicht übersehen kann und dass es wehtut, aber eben auch nicht gutaartig genug, um mich einfach so "wegzuschneiden".

Dann wollte ich noch mal zurück kehren zu meinem Vormittagsprogramm. Nach dem Besuch beim VDK war dann die nächste "Bürokraten-(Klapps)mühle" angesagt: meine Krankenkasse. Ich wollte an sich nur eine Beitragsbestätigung haben, um diese beim Sozialamt einreichen zu können, weil man mir bei Nichtvorlage derselben die Sozialhilfe versagen wolle.

Ich renne also zur Krankenkasse, nachdem ich bereits mehrfach mit denen telefoniert hatte. Dort sagte man mir, ich müsse erst einen Antrag auf Selbstversicherung stellen, da ich ja einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente gestellt habe. Da aber dieser Antrag noch "ein klein wenig Geduld" erfordern wird, bin ich also so lange, bis über die Höhe der Rente entschieden ist, darauf angewiesen, Sozialhilfe zu beziehen.

Dort sagte man mir, dass ich keine Beitragsbestätigung haben könne, so lange sie keine Bestätigung vom sozialamt hätten, wie hoch die Sozialhilfe denn sein wird. Davor könnten sie keine Beitragsbestätigung herausgeben. Am Ende würde ich noch mehr Sozialhilfe bekommen, als sie gedacht habenund ihnen würden drei Euro Beiträge rpo Monat flöten gehen. Das geht ja nun wirklich nicht.

Das Sozialamt würde sich aber lieber vor dem Zahlen drücken, weil ich ja noch "Vermögen" habe. (Wir reden hier von einer Größenordnung meines "Restvermögens" von unter 2000 Euro Rücklagen für noch härtere Zeiten. Ich musste den Ret ja bereits aufbrauchen. Andernfalls würde das Sozialamt je keinen Cent heruas rücken.) Ich weiß ja nicht, wovon die träumen, wenn die den Begriff Vermögen mit einer Größenordnung von 2000 Euro in einem Satz nennen. Mit den Ackermännern und Zumwinkels sind die sicher nicht verwandt. Die kaufen sich für 2000 Euro einen neuen Anzug oder ein Paar handgemachte Schuhe oder eine neue Krokodilleder-Handtasche als Mitbringsel für die Geliebte - nicht für die Frau, da tut es auch eine "einfache Gucci-Handtasche" für 900 Euro aus dem Designer Outlet-Center.

Dummerweise muss ich bis zum 30.04.2008 alle Unterlagen für das Sozialamt eingereicht haben und wie es der "Zufall" will hat der zuständige Herr Sachbearbeiter beim Sozialamt bis zum 27.04.2008 Urlaub. Ich musste mir also gestern erst (lautstark) telefonisch Gehör verschaffen bei der entnervten Sachbearbeiter-Kollegin, um gnädigerweise die Unterlagen am morgigen Donnerstag bei ihr abgeben zu dürfen, damit sie sie dem Sachbearbeiter "auf seinen Platz legen" kann.

Spätestens am Montag stehe ich bei dem Herrn auf der Matte und werde mich "darum kümmern" (müssen), dass der auch seine Arbeit macht. Da halte ich es mit der neuen Devise unseres Staatssystems "Fördern und Fordern", mit der millionen von Hartz IV-Empfänger täglich gegängelt werden. Ich werde die Arbeitsmoral des Sachbearbeiters "fördern" und ihn damit "ein wenig fordern". Na der wird sich aber freuen, wenn er mich nach seinem Urlaub wiedersehen darf...

Ich habe nämlich durchaus Sorge, dass bei Nichtbezahlung meiner Krankenkassenbeiträge eine Versicherungslücke entstehen könnte, die ich mit meinem "üppigen Vermögen" wahrscheinlich nicht füllen können werde. Ich habe demnächst einen Termin für eine so genannte PET-Untersuchung, bei der geklärt werden soll, wie groß denn mein Resttumor noch ist. Meines Wissens kostet allein die ca. 1700 Euro. Wenn ich die bezahlen müsste, wären bereits 85% meines "Vermögens" dahin. Dann müsste das Sozialamt auf alle Fälle "bluten".

Mir blutet auch schon das Herz, weil ich dem armen Sozialamt so auf die Nerven gehen muss, dass sie mir tatsächlich was geben werden müssen. Ich werde also wieder einmal selbst dafür Sorge tragen müsen, dass da nichts schief geht.

Daneben will ich das Krankenhaus wechseln. Nicht, weil es mir Spass macht oder ich nichts Besseres zu tun hätte, als Ärztehopping zu spielen. Eher weil man mir in dem anderen noch nicht einmal einen Tumor-Nachsorgepass ausgestellt hatte. Abgesehen von einer ganzen Reihe anderer Pannen, die ich hier nocht weiter aufzählen will, weil ich mich sonst schon wieder aufregen müsste. Zudem musste ich selbst darauf kommen, dass es so etwas wie eine FET-PET- Untersuchung gibt, mittels derer man zusätzlich zur MRT klären kann, wo sich noch biologisch aktives Tumorgewebe befindet, um dieses dann einer "geeigneten Therapie" zuzuführen.

Wenn es für die "Gesellschaft" bzw. unser "System" nur auch so eine Untersuchung gäbe! Dann könnten wir die wuchernde Bürokratie ggf auch einer "geeigneten Therapie" zuführen. Ich würde hierbei für eine möglichst radikale Resektion plädieren: sprich ratzeputz wegschneiden. Alles raus, was keine Miete zahlt. Aber leider ist das wie beim Hirntumor. Man muss genau differenzieren und abwägen, was funktional wichtig ist für das Gesamtsystem und was nicht. Und genau da beginnt dann auch schon die philosophische Diskussion.

Wie weit darf man schneiden, bis es nicht nur wehtut, sondern schon zu Lähmungen führt? Aber wir haben ja jetzt unseren Ober-Entbürokratisierer Stoiber nach EU-Hauptstadt abgeschoben, damit er uns von dem unnötigen bürokratischen Ballast in Brüssel befreit. Jetzt wird alles gut.

So gesehen kann man schon froh sein, dass der aus Bayern gehen musste. Jetzt haben alle was davon. Leider kommen nur die EU-Staatsbürger in den "Genuss" des wirkens dieses christlich-sozialen Entbürokratisierungs-Messias. Da werden die Nicht-Eu-Bürger aber traurig sein...

So, jetzt fällt mir nix mehr ein. Am Ende müsste ich mich sonst noch aufregen.

Ein Andermal wieder.

Prost Mahlzeit Deutschland!