29 September 2007

Pest oder Cholera?



Ich hatte letzten Mittwoch wieder einmal eine zweifelhafte Ehre: Ich durfte eine gratis Übernachtung im Bezirksklinikum Regensburg in Anspruch nehmen. Die Frage im Titel spielt auf die grundsätzlichen Alternativen an, vor die ich dabei gestellt war. Zuerst wieder einmal das übliche Spielchen, wenn man als Hirntumorpatient neu wohin kommt - Blut abnemhen.

Danach Zimmer zuweisen und erstmal auspacken. Ich hatte einen Zimmergenossen von der Ostesee. Ganz nett, aber einem Bayern halt diametral entgegengesetzt. Er selber war leider in keinem so guten Zustand - war schon etwas pflegebedürftig. Dabei hat sich sein 72 Jahre alter Vater rührend um ihn gekümmert. Der hat mir dann nebenbei immer irgendwelche Geschichten aus der Nachkriegszeit erzählt und von der Gegend aus der sie kommen. Daneben ein paar nette Witze und noch so einigen Smalltalk.

Nach einiger Wartezeit - warten ist überhaupt die Hauptbeschäftigung für Krankenhauspatienten - kamen dann auch gleich drei Ärzte zu mir, um mich grundlegend über meine weiteren Therapiemöglichkeiten auzuklären. Wie die Überschrift schon andeutet: ich hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera. Es gibt keine nebenwirkungsfreie Therapie gegen Tumore. Ich habe mich daraufhin für die Cholera entschieden - ich meine die eher unpopuläre Chemotherapie. Ich weiß nicht genau warum, vermutlich weil ich der Bestrahlung nicht ganz traue. Ich fürchte, dass die Bestrahlung irreversible Langzeitschäden verursachen für das Gehirn verursachen könnte. Bei der Chemotherapie geht es mir möglicherweise für ein Jahr schlecht, aber die Chancen stehen gut, dass das wieder vergeht. Zudem schädigt die Chemo das Gehirn nicht weiter.

So. Gesagt getan. Am 26.09. durfte ich also die Medikamente für die Chemotherapie mitnehmen, die ich seit dem auch brav einnehme. Ich habe einen festen, vorgegebenen Zyklus, nachdem ich das Zeug nehmen muss: 5 Tage Tabletten 23 Tage erholen. Die werde ich dann wohl auch brauchen. Mir geht es zwar den Umständen entsprechend gut, ich befinde mich aber auch quasi erst in der Aufwärmrunde. Die Dosis für die Zytostatika wird beim nächsten mal noch erhöht. Danach gibt es Mitte November nochmal eine Verlauskontrolle im Bezirkskrankenhaus Regensburg. Dort nochmal Magnetresonanztomografie und diverse Untersuchungen. Bis dahin wöchentliche Blutbildkontrollen. Die Chemotherapie-Medikamente haben nämlich den unangenehemen Nebeneffekt, dass sie das Blutbild verändern. Man erkauft sich den therapeutischen Effekt mit einer erhöhten Infektanfälligkeit. Übelkeit und Erbrechen sind auch nicht selten dabei. Dafür bekomme ich wieder Medikamente, die Kopschmerzen verursachen, was für Patienten mit Hirntumoren, auch suboptimal ist, sag ich jetzt mal so.

Also langer Rede kurzer Sinn: Ich lebe und es geht mir den Umständen entsprechend gut. Bei einem der nächsten Posts will ich mal ein Foto von meinem neuen Atelier posten, damit ihr sehen könnt, wo ich so meine Zeit verbringe. Eigentlich ist das ja einfach, ihr müsst nur den Fernseher einschalten und dann wisst ihr wie ich die meiste Zeit vetrödle. Verdammtes Ding! Wenn man daran nicht immer gleich so lange kleben bleiben würde. Ich fürchte übrigens auch, dass das Ding irreversible Gehirnschäden verursacht. Es macht faul und blöd. Ausser man schaut die Simpsons!

Das macht allerhöchstens bissig. In diesem Sinne. Tumor ist, wenn man trotzdem lacht!

PS: Das Bild zeigt meine Narbe auf dem Kopf und wie sie schon langsam wieder mit Haaren zuwächst. 19 Stiche hatte ich gezählt. Das war kein Sonntagsspaziergang. ;)

PPS: Für alle die, die es sich nach dem letzten Post nicht schon gefragt haben - die endgültige Diagnose für mein Dingens ist Oligodendrogliom WHO Grad III. Deswegen die Chemotherapie. Schlimmstenfalls muss danach noch bestrahlt werden oder eine andere Chemo-Variante versucht werden. Ich kämpfe! Ich habe nicht vor, schon mit 34 abzutreten.

07 September 2007

Hurra - ich durfte Heim!


Liebe Leute,

ich durfte heute endlich aus dem Klinikum Regensburg nach Hause fahren! Die Operation ist soweit ja ganz gut verlafen. Ich kann alles noch bewegen, so wie vorher. Ich habe auch keine Kraft verloren. Es scheint ganz gut überstanden zu sein.
Einmal muss ich noch für eine Nacht nach Regensburg, dann aber in ein anderes Klinikum...
Danach steht eventuell noch ene Chemo- und oder Strahlentherapie an. Das klärt sich aber erst nach dem endgültign Befund auf. Der steht leider noch immer nicht fest. Bisher weiß ich davon, ich hatte ein sogenanntes Oligodendrogliom nach WHO Grad II. Das ist noch gutartig. Es hat manchmal aber leider auch die Tendenz, sich zu verschlimmern. Dann kann eine Chemotherapie notwendig werden. Der Tumor, den ich hatte, war reltiv groß - ca. 6 cm - und den haben sie (fast) ganz weggeschnitten.
So wie es dabei aussieht, haben sie mir meinen vegetarischen Lebensstil auch mitweggeschnitten. Ich habe ziemlichen Hnger auf Fleisch in letzter Zeit. Hab schon einige Leberkäsesemmeln verdrückt seit ich im Klinikum war und einen Döner!

Als denne, ich meld mich wieder. Und noch eine Bitte: bitte nicht mehr im Klinikum in Rgensburg anrufen. Die Nummer hat jetzt jemand anderes. Der wird von mir nichts wissen (wollen). Wie ich von meinem Bettvorgänger auch keine Ahnung hatte.

Ich wünsch Euch was. Und Danke für die vielen aufmunternden Emails und SMS!

Oben noch ein Bildchen von meiner schönen Narbe auf dem Kopf und meiner Scheiße Frisur.

01 September 2007

Ich lebe noch


Hurra, ich lebe noch und dies, obwohl ich schon anderes geglaubt habe. Die Nacht auf der Intensivestation war die Hölle. Ständig hat irgendwas gepiept und irgendwer hat geröchelt oder gestöhnt. An schlafen war da nicht zu denken. Zudem wurde ich mit Schmerzmitteln so zu gedröhnt, dass ich Wahnworstellungen hatte. Ich habe geglaubt, jemand müsste jetzt ein Team vom Spiegel organisieren, das mich mit Fotos aufnimmt und dem ich meine Story exklusiv verkaufen kann, damit ich nach dem Aufenthalt hier was zu beissen habe.

Ich würde im Ernst mein letztes Bisschen Menschenwürde verkaufen, damit ich eine Perspektive habe nach diesem Horror hier. Ich weiß noch überhaupt nicht wie es weitergehen soll. Am Montag erwarte ich das Ergebnis von der Laboruntersuchung des Tumors aus meinem Schädel. Dann wird sich herausstellen, ob der gut- oder bösartig war. Der Neurochirurg hat mir vor der OP erzählt, dass sie sicherheitshalber nicht alles entfernen können, weil sonst die Motorik beeinträchtigt sein hätte können. Dies ist gottseidank nicht passiert. Ich fühle mich zwar wie durch den Wolf gedreht und ziemlich wackelig und schwindlig auf den Beinen aber ich kann alle meine Finger unabhängig voneinander bewegen, die Arme und Beine haben Kraft auch bei geschlossenen Augen. Es scheint also alles gut geklappt zu haben... Nochmal mit einem blauen Auge davongekommen.

Ich kann Euch sagen, wenn man ein paar Tage mit der Aussicht durchs Leben läuft, dass man eventuell nicht mehr lange zu leben hat, verschieben sich die Prioritäten gewaltig! Ich will jetzt wieder was malen. Damit hab ich gelebt und damit werde ich sterben. Basta. Ich hab in der Inensivstation übrigens an Pizza mit scharfen Pepperoni gedacht und habe mich daran festgeklammert. Das wars wert.

Die Haschpläzchen auf der Loveparade in den neunzigern, die ich damals mal gegessen habe, waren gegen das der reinste Kindergeburtstag verglichen mit dem Horrortrip auf der Intensivstation vorgestern Nacht. Set und Setting für so einen Trip sollten halt schon stimmen, sonst wird's ungemütlich!

Leute, lasst's die Figer von den Drogen. Schmerzmitteltrips bringens nicht. Das macht keinen Spass. Ich habe nen Heidenrespekt vor dem Zeug bekommen.